* 2.Nov. 1902 + 11.Mai 1934 |
Arnold Flues aus Stockhausen, bei Meschede, kann als ein Segelflugpionier des Sauerlandes bezeichnet werden. Nach ihm wurde die Straße benannt, die heute am Flugplatz Meschede vorbei nach Schüren führt. Als Sportstudent meldete er sich in den Semesterferien in der Segelfliegerschule in Rossitten in Ostpreußen an. Mit A-, B- und C-Prüfung kehrt der Sportlehrer ins Sauerland zurück. Seine Begeisterung für den Segelflug und seine Fähigkeit andere Menschen zu begeistern spürt man in den Artikeln, die er für die „Mescheder Zeitung“ verfasst hat:
Gleit und Segelflugsport jetzt auch in Meschede
Meschede, 01.02.1932.
„Wir in Deutschland können uns leider mit unserem kläglichen Luftfahrthaushalt, bedingt durch das Diktat von Versailles, solche Fernflugexperimente oder die Massenaufstellung von Rekorden, wie es im Vorjahr im Ausland geschah, nicht leisten. Es verdient daher um so gröBere Bewunderung, daß die deutsche Jugend in ihrem fliegerischen Drange durch auch noch so groBe Not der Zeit sich nicht aufhalten läßt. Die Segelflugkundgebung des Deutschen Luftfahrtverbandes (DLV) am 8. Januar im Berliner Flugverbandshaus bewies es. In dem interessanten Bericht, den der Vorsitzende des DLV Segelflugausschusses erstattete, heißt es: Mehr als 8.000 Jungsegelflieger, etwa 1.500 Flugzeuge und 40 gut ausgerüstete Übungsstellen stehen augenblicklich der Segelflugbewegung zur Verfügung. Unsere wichtigsten Segelflugschulen stehen auf der Wasserkuppe, in Rossitten und in Grunau. In allen Teilen unseres Reiches haben sich Segelfluggruppen gebildet. In Westdeutschland befindet sich fast in jeder größeren Stadt eine solche Gruppe. Jeden Sonntag sind hier Hunderte von deutschen Jungen am Übungshang anzutreffen, um in ernster Arbeit die schwere Kunst des Fliegens zu erlernen. In der „Westdeutschen Flugwoche“, die jedes Jahr in den Borkenbergen, im Kreis Lüdinghausen, stattfindet, messen die jungen Piloten der einzelnen Gruppen ihre Kunst und Geschicklichkeit. Ungefähr 30 bis 40 Maschinen sind während dieser Zeit ständig in Betrieb. Tausende von Zuschauern finden sich hier ein. In die sonst so stille Heide ist Leben gekommen. In unserer engeren Heimat, in der sich so schöne Übungshänge befinden, ist leider der Segelflugsport noch unbekannt. Einige begeisterte Herren aus Hagen und Düsseldorf haben zwar vor mehreren Jahren schon einen Versuch in Winterberg unternommen, leider aber ist der so verheißungsvolle Anfang im Sande verlaufen. Ein neuer Versuch wird jetzt in Wennemen unternommen. In emsiger Arbeit wird unter fachmännischer Leitung ein Gleitflugzeug, Typ „Zögling“, gebaut. In liebenswürdiger Weise hat der Herr Pfarrer die alte Kirche, jetzt Vereinshaus, als Werkstatt zur Verfügung gestellt. Unter größten Opfern der Beteiligten, die insgesamt arbeitslos sind, geht der Bau vor sich. Wir wären jedem dankbar, der uns eine Unterstützung zukommen ließe. Wer hilft der jungen Gruppe? Interessenten, die unserer Gruppe, der ersten im Kreise Meschede, beitreten möchten, wollen sich bei mir melden. (Tel.-YR 307) Es liegen bisher schon mehrere Anmeldungen vor, sogar schon einige aus Arnsberg. Ich empfehle allen, am Werkstattdienst teilzunehmen. Es ist sehr vorteilhaft für den angehenden Piloten, wenn er mit der Konstruktion der Maschine vertraut ist. In etwa vier Wochen wird das erste Gleitflugzeug fertig sein, schnelle Anmeldung ist daher geboten.“
Die Begeisterung von A.Flues ist ansteckend. Schon melden sich bei ihm darauf weitere Interessenten. Nun folgt der nächste Bericht in der Zeitung:
„Der vor einigen Tagen in dieser Zeitung veröffentlichte Artikel über den Bau eines Segelflugzeuges hat, wie vorauszusehen war, in der Öffentlichkeit viel Anklang gefunden. Begreiflicherweise ist diese Notiz von den meisten Lesern mit einem gewissen Mißtrauen aufgenommen worden. Diese Beobachtung wird überall dort gemacht wo etwas Neues geschaffen wird, was über das Alltägliche hinaus geht. Leider hat sich auch das Mißtrauen zu häufig bewahrheitet. Werden doch vielfach von Nichtfachleuten Flugzeuge gebaut, die von vornherein zur Flugunfähigkeit verurteilt sind. Solche Versuche dienen natürlich nicht dazu, das Vertrauen des Volkes zu gewinnen. Bei dem Bau in Wennemen handelt es sich um eine sehr ernst zu nehmende Angelegenheit. Der Schreiber dieser Zeilen selbst steht seit 1928 aktiv in der Segelflugbewegung. In drei verschiedenen Kursen an der Segelfliegerschule Rossitten hat er sämtliche Segelflugprüfungen abgelegt. Die letzte am 12. September letzten Jahres. An der Gründung der Segelfliegergruppe Hagen hat er groBen Anteil. Von dieser Gruppe sind bereits drei Flugzeuge, Typ „Zögling“, gebaut. Herr Großkreutz, unter dessen Leitung das letzte Flugzeug gebaut wurde, hat auch in liebenswürdiger Weise die Bauleitung in Wennemen übernommen, es wird deshalb für richtige Ausführung des Baues garantiert. Werfen wir jetzt einen Blick in die Werkstatt.
Das Gerücht, in der Notkirche, jetzt Vereinshaus, soll ein Flugzeug gebaut werden, hatte sich verdichtet. Einige arbeitslose Schreiner waren bereits gebeten, sich am Bau zu beteiligen. Das Holz für den Spannturm wurde bei einem Handwerker geschnitten und in die Werkstatt gebracht. Hier wurde es dem Zwecke entsprechend bearbeitet. Es fand sich eine Anzahl von Neugierigen ein, die sich in lauten Bemerkungen über unser Vorhaben lustig zu machen versuchte. Die Bauer aber ließen sich nicht beirren. Sie sägten, hobelten, raspelten, nagelten und leimten. Schon nach einigen Tagen war das Gerüst, der Spannturm, fertig. Nun ging es an den Flügel. Jeder Flügel wird aus 16 Spieren gebildet. Das Herstellen der Spieren erfordert sehr viel Zeit und Mühe. In drei Arbeitswochen hoffen wir die 32 Spieren hergestellt zu haben. Unsere Rechnung aber sollte nicht stimmen. Das Schneiden des Holzes nahm nur wenige Stunden in Anspruch, da uns Herr Fabrikant Dietz bereitwilligerweise seine Maschinen zur Verfügung stellte. Es sei ihm an dieser Stelle herzlich dafür gedankt. Inzwischen aber war das Zutrauen der so zahlreichen Zuschauer, meist Erwerbslose, sehr gestiegen. Still greift bald dieser, bald jener zum Handwerkszeug. Bald saßen sich in emsiger Arbeit zwei lange Reihen Menschen gegenüber, die an der Ausführung eines Werkes mithalfen, dessen Gelingen ihnen noch vor kurzer Zeit zweifelhaft erschien. Eine Zufriedenheit lag auf den so verhärmten Gesichtern. Hatten sie doch Beschäftigung! Es wurde reinste Bandarbeit geleistet. Statt der vorgesehenen drei Wochen wurden die Spieren in drei Tagen hergestellt. In den nächsten zwei Tagen folgten die Flügel. Machte uns die Anschaffung des weiteren Materials keine Schwierigkeit, so könnte die Maschine in ungefähr acht Tagen ihrer Bestimmung übergeben werden. Für Mittwoch, den 10. d. M., ist bereits der Bauführer vom Deutschen Luftfahrerverband (DLV) bestellt. Derselbe wird die Bauausführung prüfen und deren Richtigkeit bescheinigen. Bis zur endgültigen Vollendung des Flugzeuges wird uns noch sehr viel fehlen. Wir nehmen daher jede Unterstützung gern entgegen.“
Arnold Flues steckt alle mit seinem Flugfieber an. Er findet immer mehr Unterstützer und auch die Presse steht ihm gerne zur Verfügung. Die „Mescheder Zeitung berichtet am 19.Februar 1932:
„Seit acht Tagen ist das Segelflugzeug, von dem wir schon verschiedentlich berichteten, im Rohbau fertig. Herzlich danken wir der Firma Meier & Brand in Wennemen, in deren Fabrik wir die eisernen Beschläge anfertigen durften. Die weiteren Arbeiten mußten vorerst eingestellt werden, da uns das Geld zur Beschaffung der verschiedenen Materialien: 50 m Stoff (Nessel), Imprägnierungslack, Spannschlösser, Stahldraht, Kauschen, Seilklemmen usw. fehlt. Wir werden aber nicht müde werden und selbst unter den größten persönlichen Opfern auch diese Mittel noch aufzubringen wissen. Vom Bauprüfer des DLV, Herrn Heuer, ist inzwischen das Flugzeug abgenommen und die Ausführung des Baues für gut befunden.“
In jener Zeit herrschte in Deutschland große Not und Hoffnungslosigkeit. Jeder 10. Bürger war arbeitslos. Oft hatten die Menschen nicht das Nötigste und da kommt einer wie Arnold Flues daher und verleiht den Menschen Flügel.