von Bodo Kirtz
Nachdem uns die Wirtsleute in unserer Pinte verlassen hatten, suchte der Verein im Jahr 1970 ein Wirtsehepaar, wo idealerweise der männliche Part auch noch Fluglehrer sein könnte. Es meldete sich ein älterer Mann, der gerne mal vorbei kommen wollte, um sich vorzustellen. Wir waren alle gespannt. – Den Tag werde ich nie vergessen:
Wir standen an einem ausklingenden Wintertag, oder war es früher Frühlingstag, vor der Pinte und da kam ein älterer roter Sportwagen, Audi 100 Coupé, im dritten Gang, vollkommen untertourig, den Berg hochgeschlichen, immer kurz vor dem Abwürgen. Das Auto hatte ein Karlsruher Kennzeichen. Daraus entstieg ein Männlein mit grauer Flieger-Lederjacke, mit von der Sonne gegerbter Haut. Die knorrigen Finger hielten eine Zigarette, an der er genüßlich paffte. „Horn, Fritz Horn“, stellte er sich vor.
Alsbald enttäuschte er uns, dass er keine Pintenfrau mitgebracht habe. Bisher habe er bei der Akaflieg in Karlsruhe gearbeitet, als Werkstattleiter und Fluglehrer bei der akademischen Fliegergruppe.
Aufgrund der gezeigten Fahrkunst, – selbst wir Jugendlichen konnten das alle besser -, hatten wir keine Erwartungen an den alten Knaben. Im Verlauf des Gespräches, Vorstand und Anwesende, besichtigten wir auch die Werkstatt. Hier zeigte er sich sehr interessiert. Die Ka8 wartete nach erfolgter winterlicher Überholung auf ihren Abnahmeflug.
Och, eigentlich könnte er den doch machen, erklärte er sich bereit.
Die Maschine wurde startbereit gemacht und hinter der Job auf Höhe geschleppt. Erst vergewisserte sich der Pilot in mehreren Standardfiguren von der Gängigkeit der Ruder und dem allgemeinen Flugverhalten, aber was dann geschah, ließ uns alle erschaudern und uns lief es kalt über den Rücken. Der „Alte Fritz“, wie ihn seine Karlsruher Akademiker getauft hatten, reizte die Ka8 bis an die Grenzen und wir sahen einen Looping nach dem anderen, hochgezogene Fahrtkurven und Turns. Wir zitterten um unser kostbares Schulflugzeug.
Nach der Landung bescheinigte uns der „Alte Fritz“, dass unser Flugzeug vollkommen in Ordnung sei.
Nein, einen Looping habe er nicht geflogen. Das sei eine „Steile Biege“ gewesen.
So schlecht und unsicher wie der alte Mann Auto fuhr, so sicher war er am Knüppel. An den langen Abenden, die später am Kamin in der Pinte folgten, erfuhren wir, wie er als junger Mann mit seinem Lastensegler in Kriege im Anflug auf Kreta abgeschossen wurde. Er war ein Unikum, qualmte wie ein Schlot und brachte vielen jungen Menschen das Fliegen bei. Die Jugend liebte ihn. Jeder Flugtag wurde mit einer „Steilen Biege“ gekrönt.
Der „Alte Fritz“ brauchte jeden Abend seinen Wein und das Fliegen war sein Leben. Er starb, wie konnte es anders sein, in Fayence auf dem Flugplatz, beim Schieben eines Flugzeugs.