Wer glaubt, dass die Warsteiner Luftfahrtgeschichte erst im Jahre 1986 mit der „Warsteiner Montgolfiade“ begonnen hat, der liegt komplett schief, denn bereits im Jahre 1931 träumten unabhängig voneinander drei Gruppen im Bereich der heutigen Stadt Warstein den Traum vom Fliegen.
In Warstein bauten Josef Schütte, Josef Kleikmann, Heinrich Enste und Heinrich Kaltner einen Gleiter und in Belecke leitete Walter Siepmann eine Gruppe, die sich in einem leerstehenden Gebäude der Siepmann-Werke an die Arbeit machte. In der alten Schule von Suttrop gingen unter anderem Franz Frohne und Otto Mengeringhausen ans Werk. Zur Verfügung stand ihnen nur eine Bauzeichnung und alle Arbeiten und Techniken mussten eigenständig von Grund auf erlernt und durchgeführt werden.
Wenig später starteten drei verschiedene Gleiter von der Hohen Liet, zwischen Warstein und Suttrop, und der Ziegenliet in Richtung Suttrop, sowie im Herbst von den Stoppelfeldern im Bereich der heutigen Hundehütte.
Das Fluggerät der Suttroper wurde „Rotschwänzchen“ genannt, weil seine Erbauer das Leitwerk rot angestrichen hatten. Es wurde gebaut in der alten Suttroper Schule.
Gestartet wurden die Maschinen mit einem Gummiseil, welches von den Helfern gespannt wurde, während eine Haltemannschaft das Fluggerät am Schwanz festhielt, bis auf Kommando „Los“ das Flugzeug in die Luft katapultiert wurde.
Es gab keinen Fluglehrer, der die Schüler bei den ersten Flügen begleitete. Man begann mit einem Rutscher, bei dem man nicht oder kaum vom Boden abhob. Vorsichtig folgten erste Sprünge von wenigen Metern. Die Flugbücher der Piloten zeigten Sekundenflüge. Nach jedem Flug musste das Fluggerät wieder den Hügel hinauf geschafft werden. Gerne nahm man dabei Pferdestärke in Anspruch. Am Abend war man dennoch geschafft und wer geflogen war, war glücklich.
Zu den Warsteiner Fliegern gesellten sich bald auch „Flachländer“ aus der Soester Börde, die zuhause keine vernünftigen Hügel hatten. Etwa 1933 errichtete man auf der Hohen Liet eine Flugzeughalle für 4-6 Gleiter. Neben der Halle stand ein alter Eisenbahnwagon als Unterkunft.
Oftmals endeten die Flüge auch mit einem Bruch und das wertvolle Fluggerät musste Instand gesetzt werden. Das Suttroper „Rotschwänzchen“ hatte einen kompletten Tragflächenbruch. Die emsigen Tüftler schafften es aber binnen Wochenfrist den Schaden zu beseitigen, so dass am darauf folgenden Wochenende die Maschine wieder startbereit war.
Die Warsteiner waren geschickte Handwerker und bauten ein Grunau Baby II. Der Hochleistungssegler war jedoch für die unerfahrenen Flieger etwas zu anspruchsvoll und so endete ein Flug an der „Hohen Liet“ mit Totalschaden. Verschärfte Bauvorschriften des 1933 gegründeten DLV (Deutsche Luftfahrt Vereinigung) machten einen Weiterbetrieb der Maschine unmöglich.
In jener Zeit fand in Dortmund eine Luftsportausstellung statt auf der die Warsteiner und Suttroper ihre Maschinen ausstellten. Die Maschine wurde vom Bauprüfer Richard Latte im Flugzeugschlepp zurück nach Warstein gebracht. Einige Tage später kam es bei einem Flugtag auf der Hohen Liet zu einem Unfall: Das Gummiseil riss beim Ausziehen und das Seil traf Latte schwer am Kopf. Der Gleiter taumelte über den Startplatz und blieb nach ein paar Metern liegen. Gott sei Dank hatten Pilot und Fluggerät keine größeren Schäden davon getragen und waren bald wieder flugbereit.
Im Jahre 1933 wurden alle zivilen Vereine gleichgeschaltet und von den regierenden Nationalsozialisten wurden die Flugvereine zwangsweise im Deutschen Luftsportverband e.V. zusammengeschlossen. Die jungen Leute gehörten jetzt zur Flieger-Hitler Jugend. Zunächst änderte sich nichts. Das Interesse der 50-60 jungen Burschen galt in erster Linie der Fliegerei. Der Berufschullehrer Fiedler unterrichtete die jungen Leute in Theorie. Willi Unger konnte sich noch gut an den lehrreichen Unterricht erinnern. Die handwerkliche Ausbildung in der Werkstatt hat den jungen Menschen viel für ihr späteres Berufsleben gebracht.
In der Folgezeit wurde in Warstein nur noch wenig geflogen. Zusammen mit der Belecker Gruppe machte man sich auf den Weg Richtung Brilon, zum Gretenberg bei Scharfenberg. Mit dem Zug fuhren die Warsteiner das Möhnetal hinauf und die letzten 5-6 Kilometer ging es zu Fuß. Auch die Segelflieger aus Soest, Paderborn und Lippstadt zog es zum Gretenberg weil hier längere Flüge möglich waren. Hier war die Nebenstelle einer Flugschule entstanden und Fluglehrer und Flugzeuge standen zur Verfügung.
Der Warsteiner Heinrich Kaltner wurde Gleitfluglehrer und so konnte man über Pfingsten 1937 am Gretenberg einen Lehrgang durchführen.
Das nasse und kalte Wetter bescherte Kaltner eine beidseitige Lungenentzündung an der er eine Woche später im Warsteiner Krankenhaus im Alter von 26 Jahren verstarb. Dies war ein großer Verlust und von den Gründern lebte nun nur noch Heinrich Enste.
Am 12.2.1939 stieg Pilot Willi Unger zum letzten mal im Gleitflugzeug in den Warsteiner Himmel.
Im zweiten Weltkrieg ließen auch viele junge Piloten ihr Leben.
Nach dem Kriege wurde im Jahre 1951 der Flugsport in Deutschland wieder erlaubt. Die Flieger aus dem Raum Warstein haben sich neu gefunden und zunächst den vom Britischen Militär genutzten Flugplatz Bad Lippspringe in der Senne zusammen mit der Paderborner Luftsportgemeinschaft genutzt. 1955 zogen die Paderborner nach Mönkeloh. Die Warsteiner schlossen sich 1958 dem LSC Oeventrop an.
Die Warsteiner Segelflugzeughalle wurde irgendwo in die Soester Börde verkauft. Das Gelände auf dem sie stand wurde von der Steinbruchfirma Köster weiträumih abgebaut.
Vielen Dank an den Warsteiner Heimatforscher Franz-Josef Mendelin, dass er diese Informationen für die Nachwelt erhalten und uns zur Verfügung gestellt hat. Dank auch an den Warsteiner Bürgermeister Thomas Schöne und den Ortsvorsteher Lange, die die Kontakte hergestellt haben.